Lesbos Marit Neukomm November 2015

Am ersten Tag haben wir am Morgen Alijah von Lighthouse getroffen. Nachdem wir wussten, wie was läuft, haben wir unsere 300 Kg Spenden (im Flugzeug mitgebracht) aussortiert und aufgeteilt für das Camp Moria am Strand und hier oben für Lighthouse. Die Hälfte unserer Gruppe ging dann zu Kiki, die in Moria Zelte aufbaut.

Am Freitagabend kamen die ersten Boote: es war dunkel, windig und man hörte Kinder und Frauen schreien. Wir sind mit unserem Bus zu den Booten gefahren, haben den Leuten geholfen auszusteigen und Babys Kinder und Frauen in unseren Bus gebracht um sie ins erste Camp von Lighthouse zu fahren. Hier wurden sie neu eingekleidet und bekamen etwas zu trinken und zu essen. Es waren ca. 6-7 Boote, die Menschen kamen zum Teil total verängstigt, heulend, aufgelöst oder auch erleichtert an, weil sie den Meerabschnitt bei Wind und Wellen überlebt haben.
Manche waren ohne Schuhe oder Hosen, weil alles klitschnass war. In diesem Zustand liefen sie noch 2km bergauf ins 2. Camp, wo sie mit Bussen nach Kara Tepe oder Moria gefahren wurden.

Unter anderem kam eine schwangere Frau im 8.Monat und fiel kurz in Ohnmacht. Sie hatte seit 3 Tagen nichts mehr gegessen, weil sie mit ihren vier anderen Kindern 3 Tage in der Türkei im Wald hauste. Sie musste ins Krankenhaus. Ebenso ins Krankenhaus musste eine Mutter ohne Mann mit 5! Kindern, wo die Kleinste eben mal 4 Monate alt war und Fieber und Atemnot hatte.  Sie wollte erst gehen, nachdem wir ihren ältesten 13-jährigen Sohn gefunden haben, der am Strand beim Aussteigen verloren ging!

Was sonst noch im Norden in Lesbos während unserer 3 Tage geschah:

  • die letzten beiden Tage waren ruhig, sehr ruhig, so ruhig, dass sich niemand recht vorstellen konnte, warum kein einziges Boot mehr kam. Bis jetzt waren es maximal 24h ohne ein Boot, aber ganze 48h ist sehr ungewöhnlich.
    Gerücht 1) der Schlepperboss in der Türkei hat sich aus dem Staub gemacht und hinterlässt ein Chaos und deshalb mangelte es an Booten,
    Gerücht 2) starker Südwind, das bedeutet sehr hoher Wellengang an der türkischen Grenze.
    Gerücht 3) Zipras hat einen Staatsbesuch oder einen Journalisten erwartet und setzte alles daran, dass die Insel ordentlich und ohne viele Flüchtlinge zu sehen ist (deshalb wurden wohl auch in Moria, wo unsere 2.Gruppe tätig war, alle aufgestellten Zelte abgerissen!
    Egal, was es war, es war Zeit genug, um vieles was in Zeiten von zwei- bis dreitausend Flüchtlingen im Tag liegen bleibt, aufzuarbeiten.
    Da wäre mal das Camp winterfest und regenfest zu machen. Zelte wurden aufgebaut, Kies als Unterlage für einen Holzboden aufgeschüttet, Kleider aussortiert und eingeräumt, 2 neue WCs wurden aus zerschnittenen Booten und Holzabfällen gebaut, die Zusammenarbeit in den verschiedenen Teams besprochen und Material eingekauft.
  • Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist das Aufräumen der Strände.
    Tonnenweise liegen die zum Teil noch ganzen oder auch völlig kaputten Schwimmwesten an den Stränden, ebenso die Schlauchboote, die wie Kadaver im Wasser hin und her gespült werden.
    Wir haben stundenlang Schwimmwesten zusammengetragen und mit den Gurten zusammengebunden, um ein einfaches Abtransportieren des Müllberges zu ermöglichen. Ebenso sind viele Abfallsäcke gefüllt worden, mit allem, was die Menschen in diesen Horrorstunden zurücklassen.
    Wenn die humanitäre Katastrophe mal vorbei ist, dann kommt für die Griechen die Umweltkatastrophe. Deshalb ist es jetzt schon wichtig, sie zu unterstützen und auch solche Arbeiten im "Hintergrund" zu erledigen!
  • Die Zeit ohne viele Flüchtlinge haben wir auch genutzt, um mit verschiedenen Teams und Organisationen zu besprechen, wie wir diese unterstützen können. An dieser Stelle möchten wir ein ganz grosses Dankeschön, alle Spender übermitteln. Ohne Eure Unterstützung, egal ob mit Geld oder Gütern, wäre die Hilfe dort gar nicht möglich!